Chorfoto Kammerchor Wernigerode (c) Lydia Ramos
20. Juli 2025

Klangwelten zwischen den Kulturen: Der Kammerchor Wernigerode als Projektchor

Der Kammerchor Wernigerode als Projektchor beim 7. Internationalen Chorleitungsseminar

Vom 28. Juni bis 1. Juli 2025 wurde Wernigerode zur internationalen Drehscheibe für junge Chorleiter:innen: Beim 7. Internationalen Chorleitungsseminar traten 14 Teilnehmende aus aller Welt mit dem Kammerchor Wernigerode als Studiochor in einen intensiven musikalischen Dialog. Für den Chor war es nach dem Projekt „The Tower and the Garden“ im April das zweite Projekt in diesem Jahr – und ein ganz besonderes.

Globale Vielfalt auf dem Dirigierpodest

Unter der Leitung von Ai Hooi Lim (Singapur), Mat Wright (Großbritannien), der künstlerischen Leitung unter Peter Habermann sowie der Organisation von Jana Kalniņa studierten Teilnehmende aus Simbabwe, Kanada, Südafrika, Hongkong, Malaysia, Rumänien, Lettland, Wales, Thailand, Schweden, Bulgarien, Deutschland und der Schweiz jeweils ein musikalisches Werk mit dem Chor ein.

Die stilistische Bandbreite des Programms reichte von Antonio Lottis Crucifixus über Saint-Saëns’ Calme des Nuits bis hin zu dem finnischen Chorwerk Pseudo Yoik von Jaakko Mäntyjärvi und einem Medley malaysischer Volkslieder. Auch Spirituals, romantische Chorlieder und moderne Kompositionen fanden ihren Platz.

Lernen von Vielfalt – Feedback aus dem Chor

Für den Chor war die Zusammenarbeit mit so vielen unterschiedlichen Dirigent:innen eine neue und intensive Erfahrung. Auf die Frage, was den Mitgliedern besonders gefallen hat, antworten sie:

Olinda: „Mir haben die unterschiedlichen Interpretationen der Werke gefallen. Dadurch konnte ich ein Stück von einer anderen Seite kennenlernen. Ebenso waren die verschiedenen Ansätze, eine Probe zu gestalten, interessant mitzuerleben.“

Julius: „Ich fand es erstaunlich zu sehen, wie unterschiedlich die Herangehensweise an die Stücke sein kann. Während die eine Dirigentin sehr auf technische Korrektheit und Präzision geschaut hat, hat die andere einen viel stärkeren Fokus auf das Übertragen der hinter dem Stück stehenden Emotionen gelegt.“

Stella: „Die verschiedenen Interpretationen der Musik. Ich finde, wir haben viele Stücke am Ende ganz anders gesungen, als wir sie vorher einstudiert hatten. Außerdem waren alle super respektvoll und wohlwollend, dadurch hatte man die ganze Zeit das Bedürfnis, für jeden einzelnen der Dirigent:innen sein Allerbestes zu geben.“

Anna: „Besonders hat mir gefallen zu sehen, wie unterschiedlich die Lieder interpretiert wurden und was jede:r Einzelne währenddessen gefühlt hat. Während der ein oder andere am liebsten getanzt hätte, schlossen andere die Augen. Man hat verschiedenste Persönlichkeiten und Kulturen kennengelernt.“

Jannis: „Die unterschiedliche Herangehensweise der verschiedenen Dirigenten an das Proben war spannend und gleichzeitig herausfordernd, da man sich innerhalb kurzer Zeit immer wieder auf eine andere Art und Weise einstellen musste. Gleichzeitig hat das aber auch viel Spaß bereitet, wie auf unterschiedlichen Wegen super Ergebnisse erreicht werden konnten.“

20 Minuten Zeit: Intensive Arbeit in kurzer Spanne

An den vier Seminartagen hatten alle Dirigent:innen etwa 20 Minuten Zeit, um mit dem Chor zu proben. Ansonsten wurde das Dirigieren mit Klavierbegleitung oder mit Unterstützung der anderen Teilnehmenden geübt. Dieser knappe zeitliche Rahmen machte es notwendig, gezielt Schwerpunkte zu setzen. Die Proben waren dadurch kurz, aber intensiv – eine Herausforderung auch für den Chor.

Olinda: „Manche Teilnehmende waren sehr persönlich und andere wiederum professionell distanziert gegenüber dem Chor. Bei beiden Varianten war stets eine freundliche Grundstimmung zwischen den Dirigierenden und dem Chor vorhanden.“

Stella: „Manche waren noch viel weniger erfahren und haben dadurch eher Dirigieren geübt. Es war aber krass, wie schnell sie besser wurden, und man hat sich mit ihnen gefreut. Andere haben uns richtig viel abverlangt und man musste sich so sehr konzentrieren. Sie wussten genau, was sie wollten, und manchmal waren sie dann ein bisschen frustriert, wenn es nicht gleich so geklappt hat. Ich glaube aber, wir konnten für jeden die bestmöglichste Erfahrung rausholen.“

Anna: „Während die einen Punkt für Punkt auf ihrer To-Do-Liste abarbeiteten, schauten andere relativ gelassen und spontan, was sie eventuell anders interpretiert haben wollten, bis ihnen das Ergebnis gefiel.“

Gemeinschaft leben – auch abseits der Musik

Auch abseits der Proben wurde die Zeit intensiv genutzt, um sich kennenzulernen, Kontakte zu knüpfen und auszutauschen. Besonders der gemeinsame Abend am dritten Tag bleibt vielen in Erinnerung. Bei Essen, Gesprächen und gemeinsamen Aktivitäten entstand ein echtes Miteinander.

Abschlusskonzert mit Emotionen

Am 1. Juli fand das Abschlusskonzert im Konzerthaus Liebfrauen in Wernigerode statt. In der Generalprobe am Vormittag wurden die letzten Feinheiten abgestimmt, Akustik getestet und die Aufstellung angepasst. Am Abend dirigierten alle Teilnehmenden das von ihnen geprobte Werk vor Publikum. Anschließend erhielten alle ein Zertifikat und eine Blume – als sichtbares Zeichen einer intensiven, internationalen Zusammenarbeit.

Eröffnung des Brahms-Festivals am Folgetag

Nur einen Tag später eröffnete der Kammerchor Wernigerode gemeinsam mit dem Hangzhou Yangzheng Primary School Choir aus China und dem Estudio Choralia aus Costa Rica das 13. Internationale Johannes-Brahms-Chorfestival. Der Chor präsentierte Teile des Seminarprogramms – diesmal wieder unter Leitung von Jean-Philippe Apel.

Momente, die bleiben

Zum Abschluss blicken einige Chormitglieder auf ihre persönlichen Höhepunkte der fünf Tage zurück:

Olinda: „Besonders ist mir in Erinnerung geblieben, die Freude in den Gesichtern der Dirigierenden bei dem Konzert zu sehen, wenn sie es geschafft hatten, ‚ihr‘ Stück mit uns vorzutragen. Als Highlight würde ich den gemeinsamen Abend nennen. Dort konnte man sich persönlich begegnen, außerhalb der eng getakteten Proben.“

Stella: „Auf jeden Fall der gemeinsam verbrachte Abend. Der Austausch unter den Leuten war so gut und wichtig. Als Matt uns das Ping-Pong-Ball-Lied beigebracht hat und wir echt versagt haben, das war witzig. Als wir bei der Eröffnung des Brahms-Festivals dann wieder mit Jean-Philippe gesungen haben, hat man gemerkt, dass wir doch schon ganz schön gut mit ihm zusammenarbeiten und das einfach nochmal eine ganz andere Connection und damit auch ein anderes musikalisches Ergebnis ist.“

Anna: „Von Probe zu Probe wurden wir vertrauter mit den Menschen. Das Arbeiten machte immer mehr Spaß und Freude. Die Momente während des Konzertes waren magisch. Zu zeigen, was man in wenigen Tagen mit fremden Menschen auf die Beine stellen kann, war einfach Wahnsinn und wunderschön. Als das Seminar beendet war, kam große Wehmut auf. Es war eine wundervolle Erfahrung.“

Jannis: „Eigentlich jeder Moment, nach dem die letzten Töne eines Stückes verklungen waren und man die Erleichterung und die Dankbarkeit der Dirigent:innen in ihren Augen gesehen hat.“

Bild: (c) Lydia Ramos